Beim Basketball geht es nicht um Leben und Tod … es geht um viel mehr!
Von Markus von Pescatore (2. Herren)
Ich kann mir vorstellen, dass jetzt einige schmunzeln. Aber lassen Sie uns das Ganze mal genauer anschauen.
Kaum ein Thema ist heute präsenter als Integration, Flüchtlingspolitik oder Nationalismus. Alles davon hat mit „Kultur“ zu tun.
Kultur bezeichnet im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltet bzw. hervorbringt – im Unterschied zu der von ihm nicht geschaffenen und nicht veränderten Natur. Ausgerechnet Kultur ist ein Aspekt, welcher in der Schule, oder besser gesagt, in unserer Ausbildung in Schulen unterschätzt wird. Genau an dem Ort, wo es darum geht etwas für die „Zukunft“ zu lernen, wird „Kultur“ (die Zukunft) unterschätzt.
Das wird jetzt kein Lehrer oder Verantwortlicher sagen, aber gehandelt wird danach. Vielleicht geschieht dies auch im Unterbewusstsein, oder einfach deshalb, weil wir nicht darüber nachdenken. Mit diesem Satz möchte ich keinem Lehrer einen Vorwurf machen. Genauer gesagt möchte ich damit niemandem einen Vorwurf machen. Ich möchte lediglich die Situation darstellen und dazu beitragen diese zu verbessern.
Warum ich der Meinung bin, dass wir ausgerechnet an dem Ort, an dem wir unsere Kinder für die „Zukunft“ vorbereiten, das Wort „Kultur“ unterschätzen?
Dies ist am Ausfall der Unterrichte zu erkennen. Zwar gehören die Fächer Sport, Musik oder auch Kunst nicht zu den Fächern, bei denen die meisten Stunden ausfallen. Allerdings liegt es daran, dass diese Fächer zu den Fächern gehören, die am meisten von Lehrern vertreten werden, die dieses Fach nicht studiert haben. Das heißt, dass diese Fächer laut Statistik nicht ausfallen, weil diese ja durch einen Lehrer vertreten werden. Also einem Lehrer, der nicht vom Fach ist.
Da wundert es mich nicht, dass nur bei 31,6% der vertretenen Stunden der Unterrichtsstoff weitergeführt wird. 46,8% dieser Stunden führen dazu, dass die Vertretungskraft lediglich allgemeine Arbeitsaufträge verteilt. Einen Vorwurf kann man der Lehrkraft nicht machen. Diese soll einen Unterricht führen, den sie sich weder ausgesucht noch gelernt hat. Wie soll das gehen?
Hinzu kommt, dass ich selbst schon häufig gehört habe, dass diese Fächer keine wichtigen Fächer seien. Jetzt schaue ich mir mal kurz an, was die Menschen so in ihrer Freizeit machen, also in der Zeit, wo ein Mensch selbst aussuchen kann, wie er mit dieser umgeht. Und in dieser Zeit beschäftigen sich die Menschen mit, hm…, lassen Sie mich kurz nachdenken, …genau: Musik, Kunst und Sport, also Kultur!
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich möchte jetzt weder einen Lehrer noch das Schulsystem angreifen. Ich möchte lediglich zum Ausdruck bringen, dass BASKETBALL viele wichtige Dinge des Lebens beinhaltet. Ich könnte jetzt auch Musik oder Kunst oder eine andere Sportart erwähnen. Es liegt in der Natur der Sache, dass ich bei einem Basketballverein den Basketball hervorhebe.
Gut, was hat das mit Kultur zu tun?
Naja, wenn ich mir die Definition anschaue, dass Kultur im Weitesten alles bezeichnet, was der Mensch gestaltet bzw. selbst hervorbringt, dann ist an dieser Stelle leider auch zu erwähnen, dass Fehl-Integration, die Ursachen für Flucht und deren Auswirkung und Nationalismus definitiv ein Teil unserer Kultur ist.
Okay, was hat das mit Basketball zu tun?
Basketball ist eine Sportart, bei der die Regeln für alle gleich sind. Es geht in dem Moment, in dem ein Mitspieler sein Trikot anzieht, nicht darum, ob er ansonsten in der Gesellschaft eine Arbeit ausübt, die eine hohe gesellschaftliche Anerkennung genießt. Es geht nicht darum, ob er reich ist, ob er beliebt ist, ob er männlich, weiblich, jung, alt ist oder aus einem Land stammt, dessen Sprache wir nicht sprechen. Es geht nicht darum, welche Hautfarbe er hat, aus welchem Land er kommt oder welcher Religion er angehört.
Dem Korb selber ist es egal! Ich wederhole gerne, dem Korb (also, dem Basketball) ist es egal!
Sobald du durch diesen Korb wirfst, sind ein, zwei oder drei Punkte mehr auf dem Spielberichtsbogen. Ende und aus!
Das ist eben das Schöne an diesem Sport. Die Regeln gelten für alle. Die Menschen tauchen in eine neue Welt ein. Das ist das Geheimnis allen Sports. Plötzlich ist man als Mensch in einer anderen Welt. Neue Werte, neue Anerkennung, neue Wege, neues Glück. Alles wird auf null gestellt.
Klingt das jetzt total neu und abgefahren? Mal ehrlich, wer kennt das nicht?
Das Gefühl der Anerkennung, das Gefühl endlich angekommen zu sein. Das Gefühl der Freiheit. Kein Wunder, dass viele Menschen, die finanziell alles erreicht haben, häufig anfangen künstlerisch tätig zu werden. Es geht dann im Leben plötzlich nur noch um Kultur. Oder sehen Sie wirklich Menschen, die sich in deren Freizeit mit Steuergesetzen auseinandersetzen? Ja, es wird den einen oder anderen geben. Andererseits gibt es Millionen von Menschen, um nicht Milliarden zu sagen, die sich jedes Wochenende auf den Weg machen, um Sport, Musik oder Kunst zu sehen und zu fühlen. Erwachsene Männer sind häufig beim Sport emotionaler, als wenn sich deren Kind verletzt. Warum eigentlich?
Wieso erschaffe ich die Assoziation zwischen Kultur bzw. Sport und Schule?
Es ist in meinen Augen so, dass die Schule keinen großen Wert auf künstlerischen Unterricht zu legen scheint. Das belegen die Zahlen. 61,3% des Sportunterrichtes, 80,6% des Musikunterrichtes und 87,5% des werden im Vertretungsunterricht von Lehrern gegeben, die selbst nicht in diesem Fach ausgebildet sind.
Also den Fächern, die im Alltag den größten Berührungspunkt zwischen Nationen und Menschen schaffen, bei dem Vorurteile abgebaut werden können, schenken wir mit am wenigsten Beachtung. Dann wundern wir uns wirklich, dass wir immer noch so viele Probleme in Hinsicht auf Integration, Migration und Nationalismus haben? Ehrlich?
Es ist doch längst bewiesen, dass an den Orten, an denen die Menschen den geringsten Kontakt zu Ausländern haben, die größten Ängste vorhanden sind. Vorurteile sind dann vorhanden. Klar, ein Urteil konnten sich diese Menschen nicht bilden. Es sind ja keine Chancen dafür da.
Wenn Sie allerdings in einem Basketball-Team spielen und plötzlich kommt ein Mensch um die Ecke, der anders aussieht, anders spricht und vielleicht sogar zu einer anderen Religion gehört, aber die Eigenschaften Herzblut, Teamgeist und Ehrgeiz mitbringt, was glauben Sie, wie schnell er integriert wird? Das zählt übrigens für jedes Land, das sind meine Erfahrungen.
Basketball als Sportart ist eine der Chancen all diese Widerstände zu reduzieren. Es stimmt in meinen Augen, wenn ich sage, dass es beim Basketball nicht um Leben und Tod geht, sondern um viel mehr. Es schafft die Plattform, die wir heutzutage immer noch brauchen, damit wir Menschen auf diesem Planeten lernen, wie wir miteinander leben können. Beim Basketball geht es um Werte, die später im Leben gefragt sind.
Es geht darum sich in einem Team zu integrieren und Herausforderungen zu meistern. Es geht darum zu lernen, dass ein Spielzug im Team funktionieren muss. Es geht darum auch mal auf der Bank sitzen zu müssen. Mal darum die Trikots für alle zu waschen oder auch das Spielfeld auf- oder abzubauen bis hin dazu für ein anderes Team auch mal das Kampfgericht zu machen.
Teamgeist und Ehrgeiz sind, zum Beispiel, zwei Eigenschaften, die man im Basketball lernt, aber in der Schule eher nicht. Wenn ich Bewerber bei Unternehmen sehe, die von sich behaupten ein Teamspieler zu sein, dann stelle ich gerne immer die gleiche Frage: „Wie definierst du Teamspieler und wo hast du das gelernt?“
In der Schule kann es ja nicht gewesen sein. Da lernen wir eher Individualismus. Die Schüler werden für ihr Wissen, welches sie einzeln haben, benotet. Sobald einer sich eine Antwort von dem anderen Schüler geben lassen möchte (Hilfe sucht), wird er bestraft. Dabei ist das genau das, was in Unternehmen später gefordert wird. Sobald ein Mitarbeiter eine Lösung nicht kennt, fragt man jemand anderen, am besten einen Kollegen. Wieso lernen wir das in der Schule nicht? Weil es eben für das Fach „Teamspieler“ keine Benotung gibt.
Nach der Schule geht der Schüler dann nach Hause und spielt (alleine!!!) an seiner Playstation oder chattet mit anderen Menschen über den Computer. Sobald einem Menschen dann die Aussage des anderen nicht gefällt, kann der Computer ausgeschaltet werden und so getan werden, als ob es diese Welt dann nicht mehr gibt. Gibt es aber eben doch!
Wir legen, meiner Meinung nach, im Leben zu viel Wert auf Statussymbole wie zum Beispiel Zeugnisse. Ich spreche jeden Tag mit Unternehmern, die mir sagen, dass es mit manchen Mitarbeitern nicht klappt. Es geht nie darum, ob derjenige ein Zeugnis nicht hat. Es geht also selten um eine fachliche Qualifikation. Es geht fast immer darum, welche Einstellung der Mitarbeiter und welche Auswirkung diese auf das gesamte Unternehmen hat.
Für Einstellung, Ehrgeiz, Teamgeist etc. gibt es in der Schule keine Benotung. Warum eigentlich nicht? Vielleicht müssen wir das auch nicht benoten. Wie können wir es trotzdem fördern?
Es ist wie beim Basketball. Es gibt Spieler, die können super dribbeln, super werfen und super passen. Aber wenn sie dann unpünktlich kommen, das Training schwänzen oder den Spielzug nicht lernen, dann werden sie es nicht weit bringen. So einfach ist das. Basketball besteht nun mal auch aus mehr als fachliche Kompetenz.
Ich war in meiner Jugend nie ein guter Schüler. Ich bin regelmäßig umgezogen. Nicht innerhalb einer Stadt oder innerhalb eines Bundeslandes. Ich bin alle sechs Jahre in ein anderes Land gezogen. Besser gesagt, gezogen worden. Versuchen Sie mal einen Berliner dazu zu bringen, seinen Kiez zu verlassen – vergessen Sie es. Ich musste mich auf ein neues Land einlassen. Ich möchte hiermit kein Mitleid erregen. Mir geht es gut.
Heute sagen viele: „Wow, das ist doch toll und du konntest viele Sprachen lernen!“ Das stimmt, nur leider sieht man das als Vier-, Neun-, oder Fünfzehnjähriger nicht so. Ich habe alle sechs Jahre meinen kompletten Freundeskreis verloren. Ich musste eine neue Sprache lernen und war immer erst einmal der Außenseiter. Das war nicht schlimm, ich konnte damit halbwegs zurechtkommen. Dabei geholfen hat mir der Sport. Überall wo ich gelandet bin, ging ich zuerst einmal zu einem Verein.
Denn diese Sprache beherrschte ich schon damals. Seinerzeit war es die Sprache des Fußballs oder des Basketballs. Ich konnte einigermaßen dribbeln, passen, laufen und kämpfen. Ich brachte den Willen mit pünktlich zu sein, zum Training zu kommen und mich den Regeln des Teams zu unterwerfen. Alles, was man gerne als Team gesehen hat. Dadurch wollte ich integriert werden und wurde auch integriert. Beide sind sich einen Schritt entgegengekommen und haben sich umarmt. Da interessierte es plötzlich niemanden mehr woher ich kam.
So kam ich schnell dazu die Sprache des Landes zu lernen. Wenn man die Sprache spricht, kann man sich mit Menschen unterhalten. Wenn man sich mit Menschen unterhalten kann, lernt man zu verstehen, warum die Menschen in diesem Land das machen, was sie machen.
Das geht nur durch Kommunikation. Ohne Sport hätte ich das nicht geschafft. Ich möchte an dieser Stelle auch noch erwähnen, dass dies in meinen Augen kein deutsches Problem ist. Das ist ein Problem, das sich weltweit beobachten lässt.
Sobald Menschen mit Unvertrautem konfrontiert werden, bekommen sie Angst. Ich bin beispielsweise in Italien (da habe ich sechs Jahre gelebt) zur Auswahlmannschaft nominiert worden. Nachdem man erkannt hatte, dass ich zwar einen italienischen Nachnamen trage, aber nicht die italienische Nationalität innehabe, wurde ich wieder ausgeladen. WTF!
Lange war ich stolz darauf zu sagen, dass ich halber Brasilianer und halber Deutscher bin. Heute stelle ich mir die Frage, wie ich stolz auf etwas sein kann, wofür ich nichts kann? Ich bin Mensch! Traurig, wenn Sie Barrieren in Ihrem Kopf brauchen, damit Sie mich einordnen können. Sagen wir also, wir sind Menschen, reicht das nicht?
Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bekomme selber „Angst“, wenn ich Fremdem begegne. Sich einzureden, dass das nicht so wäre, ist doch quatsch und unmenschlich. Allerdings hatte ich das Glück vielen Menschen aus vielen Nationen begegnet zu sein. Daher gebe ich jedem eine Chance, egal wo er herkommt. Viel interessanter finde ich, wo er hin will! Dafür können die Menschen viel mehr, als wo sie herkommen.
Wieso schreibe ich das Ganze hier?
Naja, ich bin der Meinung, dass den meisten Verantwortlichen in einem Verein gar nicht bewusst ist, was sie eigentlich wirklich leisten. Sie geben Menschen eine Hoffnung und sorgen dafür, dass wir das wirklich Wichtige lernen. Ich hörte schon in meiner Jugend ständig: „Das wirklich Wichtige lernst du nicht in der Schule.“
Warum eigentlich nicht? Wer mich kennt, kennt bereits auch meine nächsten Fragen: Was ist denn eigentlich das Wichtige? Warum lerne ich das nicht in der Schule? Warum gehe ich dann überhaupt in die Schule? Warum ändern wir das nicht?
Der Basketball (Sport, Musik und Kunst) beschäftigt sich genau mit dieser Frage. Der Basketball schafft es Vorurteile zu brechen. Weniger Vorurteile schaffen Respekt, Toleranz und somit Frieden. Nur so schaffen wir es friedlich miteinander zu leben. Da hilft sonst keine Eins auf einem Zeugnis.
Also, vielen Dank an alle Trainer, Co-Trainer, Betreuer, Kassenwarte, Vorstände und alle anderen, die einen Verein tragen. Dabei ist zu beachten, dass dies häufig ehrenamtlich gemacht wird.
Friedenauer Power!
PS: Nicht Corona, sondern Rassismus könnte die NBA beenden. Kultur….nicht ein tödlicher Virus, traurig….
LG Markus