Halloween in Marzahn oder: Angekommen im Breitensport
Bericht vom 31.10.2021
„Alter, auf einen Sonntagabend nach Marzahn. Das war auch ein Grund, das Team zu verlassen damals… Die weiten Fahrten, meine ich.“ Nachdem Micha mich und Edin in Zehlendorf bzw. Friedenau aufgepickt hatte, eierten wir quer durch die Stadt bis zu den von Plattenbauten gesäumten Paradestraßen im tiefen Nordosten. Unser Regio-Veteran hatte während der Fahrt genügend Zeit, um ein wenig von damals zu erzählen: „Die wollten, dass ich weiter mache. Dann habe ich gefragt, ob es Geld gibt. Nö! Die mussten ja schon für die Anmeldung in der Liga einen 1000er hinlegen, glaub ich. Und dann hab ich mal auf den Spielplan geschaut: Bis nach Halle auf’n Sonntag? Unbezahlt? Alter, da war ich raus!“ Edin und ich nickten andächtig. Nee, total verständlich! Später dann in der Marzahner Halle sahen wir uns das letzte Viertel der 2. Heimmannschaft gegen Wedding an: „Ist schon krass, Landesliga, ne? Ich mein, es geht hier um die goldene Tomate und der Typ da kassiert in der letzten Minute, bei Minus 10 Punkten, ein Unsportliches. Alter! Muss doch nicht sein?! Das ist hier Breitensport. Auch Landesliga!“ Wieder nickten Edin und ich zustimmend. Ganz klare Sache.
Beim Aufwärmen sinnierte ich noch etwas über diesen Begriff: Breitensport. Mir war klar, dass das nicht hieß, dass die Leute beim Spielen breit waren. Das wäre ja weder sehr sportlich noch besonders erfolgsversprechend (außer natürlich, das Kampfgericht wäre es auch). Vielleicht hieß Breitensport ja, dass die Spieler von ihren Talenten und Interessen her breit aufgestellt waren? Also nicht ganz auf den Sport ausgerichtet, sondern noch ein-zwei andere Hobbies nebenher, nen Job, Kinder hatten… Das traf auf uns sicherlich zu. Bier z.B. – um nur das kleinste gemeinsame unserer zahlreichen Hobbies zu nennen. Kinder wäre ein anderes. Wir, die 3. Herren, hatten am selben Abend sogar unsere Vater-UND-Sohn-Kombo am Start: Paul und Tyreese. Kaum zu glauben, ein zwei Generationen-Team! Der Breitensport macht’s möglich. Als ich die Gegner sah, kam mir eine andere Idee: Könnte Breitensport etwas mit dem Durchschnitts-BMI einer Mannschaft zu tun haben? Dass die Spieler sozusagen körperlich breit aufgestellt waren? Wir hatten es an diesem Abend mit einigen Exemplaren zu tun, die sicherlich auf der Shaquille-O’neal-Seite des basketballerischen Spektrums standen.
Die Gegner setzten ihre Masse aber erst mal gar nicht ein, um ihr Game auf Shaq-Niveau zu bringen, sondern spielten so vorbildlich kreisligarisch (oder breitensportlich?), dass wir vor lauter Verdutztheit selbst auch fast das Scoren vergaßen. Ungläubiges Kopfschütteln von der Bank, während wir das erste Viertel mit einem gnädigen 14:4 beendeten. Molly (unser Trainer-Coach) brachte Micha schon früh und der zwirbelte gleich einen Dreier rein sowie 2/3 Freiwürfen (klassisch: hart gegens Brett – Ich glaube, so macht man das in der Regio), nach Foul an der Dreierlinie. Ach ja: Starting-Line-Up: Flitze Edin, Frieder (Friederlicious aka Fried Air), Paul (Big-Daddy-o aka Hang-time-Paule), Pistolen-Mirze (feiert seine 3er gerne wie Billie the kid) und Dr. Jay (as they say). Im zweiten Viertel führte Micha weiter unsere Top-Scorer-Liste an und dennoch gewannen wir es nur noch mit 20:19. Es war hier, wo unserem Veteranen kurz mal die Hutschnur platzte, wo er seine driving-licence auspackte und wie ein Katana durch die starkknochigen Drachenabwehr schnitt. „Was mich richtig angenervt hat, war, dass der 14er von denen plötzlich Geburtstag feierte und die Punkte machte.“ Ja, er und seine Kollegen machten plötzlich die Dinger. Genau wie den Buzzer-Beater von der Dreier-Linie, in den sich dann auch noch Severin stellte und so den and-one als Gästegeschenk mitgab.
Einen solchen Buzzer-Beater hatten wir Ende des 3. Viertels allerdings auch zu verzeichnen. Die Sekunden wurden heruntergezählt und Mirko schnappte sich ein Herz: Splash! From the Logo! Die Bank schrie frenetisch. Man sieht, dass sich jahrelanges Mid-field-Bump-Out-Training eben auszahlt. Zuvor hatte Frieder einen Dreier-Run mit anschließendem Heat-Check (er kam im Spiel auf 10 Punkte). Das dritte Viertel wurde mit 23:12 gewonnen. Über das letzte Viertel wollen wir nicht reden, denn es ähnelte einem austrudeln, bei dem die Mammuts in Gedanken schon wieder im Berliner Südwesten abhingen und nur noch überlegten, welches Topping sie für ihre Liberty-Pizza wählen sollten. Das Viertel ging dementsprechend 11:22 verloren. Dr. Jay machte seiner Nr. 91 alle Ehre und catchte die Rebounds, tat ihr allerdings auch an der Freiwurf-Linie alle Ehre: 0/8 (!) Insgesamt 5/15 von der Linie. Wir wissen, was (neben Mid-field-Bump-outs) als nächstes wieder fett auf dem Trainingsplan steht.
Ansonsten war es wie immer zu Halloween in Marzahn – nicht gruseliger als sonst (wir mussten erst bis Friedrichshain fahren, um vier verlorene Bettlakengespenster über die Straße huschen zu sehen). Die Gegner – übrigens faire Verlierer und feine Jungs – wünschten uns mit einem schaurigen Lachen noch eine „Gute Heimreise“ als wir aus den Kabinen in Richtung Parkplatz schlenderten.
Hier noch ein paar honorable Mentions zum Spiel:
1) Spacing lief richtig gut, alle standen diszipliniert an ihren Positionen und hatten trotzdem den „Kopf offen“ für Einfälle wie spontane Pick-and-rolls.
2) Nachdem Micha später im Spiel (es war nicht das erste Mal) durch die Zone zum Korb glitt, riss ihn ein Marzahner Brummbär so heftig aus der Luft, dass ich dachte, der Arm geht mit. Micha wirbelte also einmal herum und haute den Ball mit der anderen Hand rückwärtsgewandt gegen das Brett. Hail Marie. Ging natürlich rein, and one.
3) Ein Angriff der Dragons wurde dreimal hintereinander rejected – Mirko hatte seine Pranken im Spiel – bis die Refs aus Mitleid abpfiffen.
4) Fast-breaks hatten auch gut Konjunktur. Zweimal schickte Julian – nach rebound oder steal, so genau weiß ich das nicht mehr – Micha bzw. Edin mit Ganzfeldpässen auf die Reise zum easy layup.
5) Severin setzte bei uns den Schlussstrich mit einem 3er (gefolgt – leider – von zwei Dreiern der Marzahner).
6) Molly machte im dritten Viertel auch standesgemäß einen 3er
7) Tyreese, unsere Krake, fing die Bälle ab wie gewohnt. Sehr geil!
8) Sein Papa, Hangtime-Paule, lieferte smooth wie immer und ließ die Glocken läuten
9) Hustle-Hans kam und machte das, was Hustle-Hans tut. Hustling – b****!
10) Holger brachte richtig gutes Bier mit!
Und da waren wir wieder. Auf dem Parkplatz vor der Platte. Ganz ohne Halloween-Romantik, dafür im Einklang mit zwei unserer liebsten Hobbies, außerdem einem weiteren Kreisliga-Sieg im Rücken, voll und ganz angekommen im Breitensport. Beste Zeit.