Aufstieg in die Oberliga – Oder wie löst man das Problem „Ich vs. Wir“
Am Ende der Saison 2009/2010 hieß für die ersten Herren des Friedenauer TSC nach einer ganz guten Oberligasaison „Oops, aus Versehen sind wir in die Regionalliga aufgestiegen“, ein paar Jahre später dann nach einer eher durchwachsenen Oberligasaison „Oops, jetzt sind wir aus Versehen aus der Oberliga abgestiegen“. So, und nach der Saison 2018/2019 heißt es „Ja, wir sind mit Absicht und Ansage in die Oberliga aufgestiegen“. Die im Kern eher alte Mannschaft (inzwischen spielen einige schon Ü 40 bzw. Ü 45 so geht die Legende, und ja, einige waren auch damals 2009 schon nicht mehr taufrisch) hat es nochmal geschafft und sich mit nur zwei Niederlagen aus der Landesliga in Richtung Berliner Oberhaus verabschiedet. Wieso konnte das nicht verhindern werden?
Die Geschichte ist im Grunde relativ simpel, Hauptdarsteller: ein Coach, ein Playbook, ein paar Stunden Videoanalyse, einige alternde Spieler und ein paar Young Guns und die Idee eines Spiels, das weniger auf „Ich“ und mehr auf „Wir“ setzt. Und die Geschichte geht so:
Coach Michael Biskup hatte sich während des zweiwöchigen Mannschaftsurlaubs 2018 auf Mallorca auf seinem Hotelzimmer eingeschlossen und einen Plan geschmiedet. Heraus kamen ca. 32 komplexe Spielsysteme mit variablen Ausstiegen und Laufwegen, die zusammen ein ca. 48-seitiges Playbook ergaben. Mit diesem Playbook (für die gestandenen Spieler gab es sogar eine Version in altersgemäßer 20-Pkt. Schrift) und einigen personellen Veränderungen sollte das Unternehmen Aufstieg gelingen.
Nach einer altersangemessen Vorbereitung (0 Vorbereitungsspiele, 0 Laufeinheiten, 2x lockeres Wurftraining, vereinzelte Stunden auf dem Beachvolleyballplatz, mehrere Sixpacks alkoholfreies warmes Bier, intensives Videostudium der Goldstaatenkrieger) ging es los und wir mussten am 1.09.2018 für unser erstes Spiel gegen die Zweite von Hermsdorf in der ungewohnten Monumentenstraße ran. Nach der ersten Halbzeit, in der die im Schnitt 20-30 Jahre jüngeren Hermsdorfer noch ganz gut mithielten, machten wir ernst und liefen Systeme Nr. 1-9 aus unserem Playbook fehlerlos durch und am Ende stand ein ungefährdeter 20-Punkte Sieg. Neuzugang Vedran erwies sich als gute Ergänzung für das „Wir“ und warmes alkoholfreies Bier zur Feier des ersten Saisonsieges war die logische Konsequenz.
Das Ergebnis aus dem Hermsdorfspiel sollte so etwas wie ein Muster für die gesamte Saison sein, denn im Durchschnitt wurden die Spiele mit ziemlich genau 19,2 Punkten gewonnen (für einige Spieler musste sich das anfühlen wie damals im Sommer`89). So wurden dann in den nächsten Spielen alle Spielsysteme (also 1-15) aus dem Playbook vorwärts und rückwärts durchdekliniert und es dauerte bis spät in den November, bis wir gegen Hermsdorf unsere erste Niederlage einstecken mussten – ein Spiel, in dem nichts ging für uns und in dem unsere Topscorer (Vedran 15, Robert 14, Martin 8, Germar 0 – shame on you Mr.) zusammen lediglich 37 Pünktchen beisteuerten. Wir fuhren etwas geknickt ins heimische Friedenau und manch einer musste wohl auch im Taxi weinen.
Die nächsten Spiele wurden dann wieder gewonnen und gegen City Basket zum Beispiel (+36!) verteilte sich das Scoring dann wieder etwas normaler (Gabi 21, Martin 18, Max 14, Germar 14, Robert 10). Alles war wieder im Lot und Dauerbrenner Alex (18 Spiele) konnte gg. den BSC mit 13 Punkten seine Saisonbestleistung verzeichnen und sich so im internen Lattenmessen gut positionieren. Im November kam Sören gut auf Touren und erzielte u.a. gegen BGZ 12 Punkte, in einem Spiel in dem Marquez uns endlich mal wieder zur Verfügung stand. Mitte Januar dann das Rückspiel gegen die unserer Meinung nach beste Mannschaft der Liga, Berliner SC 2. Wir taten uns schwer, lagen lange hinten und dann erlöste Alex das Team mit seinem Dreier und wir führten plötzlich in der letzten Minute. Das Spiel gewannen wir mit zwei Punkten Vorsprung, und so langsam konnten wir den Aufstieg ernsthaft anvisieren. Der knappe Sieg wurde standesgemäß mit warmen Pseudobier (Zitrone, Grapefruit etc. ) „gefeiert“.
Es sollte dann bis Ende Januar dauern, bis wir gegen Pankow die zweite und letzte Niederlage der Saison einstecken würden. Natürlich könnte man jetzt sagen: … naja gegen Pankow waren einige Stammspieler nicht dabei … zwei neue Spieler (Angelo, Max G.) gaben ihr Debut an dem Tag … man wollte aufgrund dünner Personaldecke eigentlich verlegen … nur die Pankower wollten das nicht … aber was soll’s, da war nichts zu machen. Um es mit Kettcar zu sagen: „Das gute an schlechten Zeiten, Pferde satteln weiterreiten“. Im nächsten Spiel waren dann alle wieder da bzw. gesund und in der heimischen Münchener Str. wurde Empor 2 mit 32 Punkten Differenz geschlagen. Back on track. Das Playbook war inzwischen etwas abgegriffen und bei manchen fehlte wohl auch schon die eine oder andere Seite. Aber Coach Micha blieb ruhig und ausgeglichen wie Balu der Bär. Es ging in Richtung entscheidende Saisonphase und die Knochen hielten bei den meisten. Lediglich Marko musste sich hier und da eine wohlverdiente Auszeit nehmen. Da aber Marquez und Jonas ab und zu spielen konnten, standen wir weiter im Soll.
Mitte Februar stand das ewige Duell mit den Berlin Baskets 2 an. Wir spielten mit einer sogenannten tiefen Bank und der ganz großen Line-up. Jan war nach langer Verletzungspause endlich wieder dabei und Jonas, Micha und Fritz standen das einzige Mal zusammen in der Saison auf dem Feld. Martin und Germar langten mit 25 bzw. 28 Punkten nochmal richtig hin und erzielten zusammen, na… richtig 53 Punkte. O-Ton eines Marzahners: „4. Frühling oder was?“ Der Aufstieg rückte näher und wir hatten alle Trümpfe in der Hand. Und weil es gerade so gut lief, nahm sich Doc Schneider im nächsten Spiel die Berlin Tigers 2 vor und schoss sie mit 47 Punkten quasi im Alleingang in den Sonntagabend, denn wie singt Marcus Wiebusch: „Deiche brechen richtig oder eben nicht“. Endlich war auch Jacob wieder dabei nach bestandenem Examen und der Aufstieg war in greifbarer Nähe. Im Spiel gegen Südwest 2 konnte die Sache dann perfekt gemacht werden. Calle gab sein Debut in dieser Saison und verhalf dem Team zu einem knappen Auswärtssieg. Damit war es klar, wir hatten es geschafft. Es gab warmes alkoholfreies Bier zur Feier und es gilt als gesichert, dass ein Sixpack nicht komplett geleert werden konnte. Richtige Freude sieht definitiv anders aus – Fake for Real. Trotzdem, das Ding war durch und das, obwohl Coach Michael Biskup da schon lange im Urlaub weilte (Weitsicht). Man munkelt, dass das Playbook für das nächste Jahr noch einige Seiten dazubekommen soll.
Und nach der Pflicht folgte die Kür und so ließ sich Robert Mia-San-Mier nicht lange bitten und netzte im letzten Spiel bei Empor noch einmal für 41 Punkte und dann endlich konnte die Aufstiegsfeier steigen. Und sie war… ziemlich mau. Da hatten wohl einige das Gefühl – Wir müssen das nicht tun. Müssen wir doch, deshalb wird die Aufstiegsfeier definitiv nachgeholt.
Für die nächste Saison haben wir uns viel vorgenommen, mehr Testspiele, mehr Wurftraining und dann mal sehen. Wir brauchen natürlich personelle Verstärkung, gern unter 40 und gern mit mindestens Oberligaerfahrung. Das Playbook ist übrigens schon fast fertig, sagt der Coach. Wir freuen uns auf das nächste Jahr und die volle Distanz.
Es spielten in der Saison 2018/2019:
Alex, Daniel, Fritz, Gabi, Jacob, Marc, Jonas, Marko, Martin, Max, Max G., Robert, Angelo, Sören, Vedran, Jan, Micha, Calle, Germar